Leitfaden

Herausforderung: Gottesdienst - „Sich wohlfühlen, sich sicher fühlen und selbst mitmachen.“

Von der Attraktivität des Gottesdienstes für Jugendliche

„Der Gottesdienst ist ziemlich langweilig und eigentlich würde ich, wenn ich nicht müsste, gar nicht hingehen! Es sind immer ziemlich wenig Leute in der Kirche. Es wäre cool, wenn die Konfirmanden einen Gottesdienst gestalten könnten!“

Die Meinung dieser Konfirmandin teilen ziemlich viele Jugendliche. Und nach den Ergebnissen der beiden bundesweiten Konfirmandenstudien nimmt die Akzeptanz des Gottesdienstes bei den Konfis sogar ab, je besser sie ihn kennenlernen.

In der Tat scheint der Sonntagsgottesdienst in unserer Kirche nicht für die Zielgruppe der 13- bis 14-Jährigen gemacht zu sein. Doch auch andere Gruppen von Gemeindegliedern besuchen ihn oft nur sporadisch. EKD-weit geht die prozentuale Teilnahme langsam, aber stetig zurück. Es sieht so aus, als hätte die Kirche generell ein Problem mit der Akzeptanz ihrer gottesdienstlichen Feiern. Trotzdem sind die Erfahrungen mit den Gottesdiensten ohne Zweifel ein wichtiges Element der Konfi-Zeit. Was also tun? Die einen reagieren mit genauen Teilnahmekontrollen wie zu unterschreibenden Gottesdienstkärtchen, andere investieren viel Engagement in spezielle Konfi- und Jugendgottesdienste und wieder andere setzen auf Freiwilligkeit und verzichten ganz auf Überprüfung.

Spezielle Gottesdienste für Jugendliche – auch auf übergemeindlicher Ebene wie dem Dekanat – sind selbstverständlich sinnvoll und wünschenswert. Doch können diese den sonntäglichen Gottesdienst mit fester liturgischer Form nicht ersetzen. Wie also können Sonntagsgottesdienste für Konfis attraktiver werden? Geht das überhaupt?

Ein entscheidender Aspekt ist, dass Jugendliche sich im Gottesdienst wohlfühlen wollen. Ein anderer, dass sich Jugendliche aktiv an der Gottesdienstgestaltung beteiligen können. Was kann eine Gemeinde dazu beitragen, dass sich Jugendliche (und möglicherweise nicht nur diese) in ihren Gottesdiensten zu Hause fühlen und welche Möglichkeiten der Mitgestaltung gibt es?

Wohlfühlen bedeutet nicht Wellness. Wo ich mich wohlfühle, fühle ich mich anerkannt und sicher. Konfis brauchen im Gottesdienst Handlungssicherheit. Dazu gehört es beispielsweise, genau zu wissen, wann ich aufstehe, wie ich den Psalm mitspreche und wie ich Brot und Kelch beim Abendmahl entgegennehme. Solche Kenntnisse vermitteln Sicherheit und nehmen die Angst, sich zu blamieren. Sich auszukennen und sich in der Kirche zu Hause zu fühlen, lässt sich mit Elementen von Kirchenraum- und Liturgiepäda­gogik unterstützen: z.B. können Turm, Orgel und Kirchenraum erforscht und Lieblingsplätze ausge­sucht werden oder liturgische Elemente und Körper­haltungen lassen sich ausprobieren, verfremden und in eigene Worte und Haltungen übersetzen.

Zum Wohlfühlen gehört auch das Gefühl, persönlich wahrgenommen zu werden, willkommen zu sein und ernst genommen zu werden. Das schließt beispielweise auch eine Ansprache an die Person ein, die gegebenenfalls die nötige Distanz zulässt. Damit die Beteiligten beim Gottesdienst und die Jugendlichen sich von Anfang an gut verstehen, ist es sinnvoll, Kirchenvorstandsmitglieder, die Küsterin?/?den Küster, die Organistin?/?den Organisten, Lektorinnen?/?Lektoren in der Eingangsphase in eine Konfi-Stunde einzuladen oder mit ihnen gemeinsam die Kirche zu besuchen und dort Aufgaben und Rollen zu besprechen.

Wohlfühlen hat auch etwas mit dem Ort zu tun und wie er gestaltet ist, einladend oder unbequem, freundlich oder düster und kalt. Da, wo auch Erwachsene spürbar gern den Gottesdienst mitfeiern, fühlen sich Konfis ebenfalls angesprochen. Und wenn in der Predigt die Gruppe der Jugendlichen als Hörerinnen und Hörer mit in den Blick genommen wird, kann sich das positiv auswirken – nicht nur für die Konfis selbst.

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die aktive Mitgestaltung von Gottesdiensten, damit sich die Jugendlichen nicht als außenstehende Betrachter, sondern als Teil der gottesdienstlichen Gemeinschaft erfahren können. Aktive Mitgestaltung muss nicht immer gleich die Vorbereitung eines kompletten Gottesdienstes bedeuten. Konfis können organisatorische Aufgaben übernehmen wie Glocken läuten, Kerzen entzünden und Kollekte einsammeln. Technisch interessierte Jugendliche können Läutwerk, Mikrofonanlage und Beamer bedienen. Andere trauen sich, fertige Texte vorzutragen, wie Lesungen und Gebete, oder selbst Texte zu formulieren. Konfis beteiligen sich auch gern mit eigenen Ideen am Gottesdienst. Dazu können sie Ergebnisse aus der Konfirmandenarbeit selbständig einbringen oder Gottesdienstthemen in Fotos, Anspielen, Standbildern, Liedern, Redebeiträgen etc. umsetzen. Sie können aber auch in der Konfi-Stunde Ideen zum Predigttext beisteuern oder Lieder und Musik auswählen. Außerdem kann die Pfarrerin oder der Pfarrer im Gottesdienst Ergebnisse aus der Konfi-Zeit vorstellen und Themen und Fragen in die Gemeinde hineintragen. Es wertet die inhaltliche Arbeit der Jugendlichen auf, wenn sich auch andere mit ihren Fragen und Antworten beschäftigen. Eine erhebliche Anzahl von Gottesdiensten sollte so geplant werden, dass die Konfis das Gefühl haben können, selbst Ideen eingebracht und Einfluss und Verantwortung übernommen zu haben.

Eine unterschätzte Rolle mag die inhaltliche Relevanz der Predigt spielen. Konfis identifizieren die Predigt als maßgeblichen Teil des Gottes­dienstes und hören sehr genau, ob ihr Inhalt „sie etwas angeht“ und ob ihre Lebensfragen berücksichtigt werden.

Vor der Konfirmation zeigen die Jugendlichen der Gemeinde im Vorstellungsgottesdienst etwas von ihrer Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben. Sie gestalten diesen Gottesdienst so eigenständig wie möglich, mit einer entsprechend kreativen Vorbereitung. Dagegen sind sie im Konfirmationsgottesdienst die Empfangenden. Er wird für sie von der Gemeinde gestaltet, wenn möglich unter Mitwirkung des Konfi-Teams und von Eltern, wenn sie sich gern beteiligen wollen, und kann den Jugendlichen noch einmal zeigen, dass sie in der Gemeinde geschätzt und willkommen sind.

Eine Prüfung findet weder in dem einen noch in dem anderen Gottesdienst statt.

Die zentrale Herausforderung besteht darin: Wie gewinnen Jugendliche ein eigenes Verhältnis zum Gottesdienst?