Herausforderung: Tradition und Gegenwart - „Das Alte ist neu zu entdecken.“
Die Konfi-Zeit als Erstbegegnung mit dem christlichen Glauben
Umfrage unter Jugendlichen in einer Fußgängerzone, kurz vor einem großen kirchlichen Feiertag: „Wisst ihr, was an Ostern gefeiert wird?“ „Also, da bin ich im Moment überfragt.“ – „Dass der Hase die Schokoladeneier bringt.“ – „Nee, das ist Blödsinn. Da ist doch Jesus geboren.“
Mitten in kulturellen Umbrüchen zeigt sich, dass Christsein für die meisten Jugendlichen kein Heimatland mehr ist. Was sie wissen und fühlen, wie sie ihr Leben deuten und in ihm handeln – all das ist geprägt von einer Fremdheit gegenüber christlichen Traditionen, in die die Jugendlichen hineingeboren wurden. Obwohl unsere moderne Kultur sehr stark vom Christentum geformt wurde, unterstützt sie christlichen Glauben nicht mehr selbstverständlich. Unsere Gesellschaft erlaubt und fordert stark individualistisch geprägtes Leben. Welche Einstellungen man hat und wie man sein Leben gestaltet, muss unter einer Vielzahl von Möglichkeiten gewählt werden. Dabei nimmt die Entfernung zur Kirche und ihren Glaubensdeutungen häufig zu. Jugendliche starten daher heute in die Konfi-Zeit mit sehr unterschiedlichen Vorprägungen. Das durch Elternhaus und Schule vermittelte Wissen ist höchst unterschiedlich. Auch innere Haltungen und religiöse Lebensgestaltungen verstehen sich im Elternhaus zunehmend weniger von selbst. Kurz und knapp: Jugendliche haben heute immer weniger Ahnung von den grundlegenden Inhalten des christlichen Glaubens. Und es gibt eine Menge, das sie in der Konfi-Zeit möglicherweise zum ersten Mal hören. Daher muss die Konfi-Zeit in zunehmendem Maße den Glauben und seine Ausdrucksformen verständlich und eingängig machen. Dieses „Fehlen“ der Grundlagen sollte nicht als Defizit betrachtet werden. Jugendliche spüren dies und öffnen sich nicht für die Angebote der Konfi-Zeit und die Personen.
Es geht darum, dass die Jugendlichen zunächst einmal erkennen, warum es wichtig sein kann, sich mit Themen auseinanderzusetzen, ohne die sie bisher ja auch gut zurechtgekommen sind. Die Frage ist erlaubt und nötig: Was bringt christlicher Glaube? Warum ist es sinnvoll, sich mit den Fragen nach Jesus, Schuld und Vergebung, Tod und Auferstehung, Gottes- und Nächstenliebe zu beschäftigen? Dabei ist zu bedenken, dass keineswegs alle Konfis Glaubensfragen mit Zustimmung begegnen. Die Entscheidung für die Konfi-Zeit ist nicht gleichbedeutend mit einer Entscheidung für den Glauben. Es geht häufig nicht nur um fehlendes Wissen, sondern um eine fehlende Zustimmung zum Glauben. Dies muss akzeptiert und ernstgenommen werden und hat Konsequenzen für die inhaltgliche Arbeit in der Konfi-Zeit. Die Herstellung von Plausibilitäten in Bezug auf religiöse Weltzugänge darf nicht vorausgesetzt, sondern muss hergestellt werden. Wir reden und handeln in der Konfi-Gruppe nicht binnenkirchlich.
Empfinden Jugendliche in der Konfi-Zeit den christlichen Glauben als belehrend, dogmatisch, gesetzlich oder sprachlich nicht nachvollziehbar, dan n verschließen sie sich. Sie verstehen nur schwer, warum sie sich damit auseinandersetzen sollen. Religion wird für sie so zu einer unbedeutenden Tradition. Jugendliche zeigen heute auch in religiösen Fragestellungen mehr Selbstbestimmung als früher. Sie wollen individuell, frei und zeitlich befristet selbst festlegen, was sie glauben und welchen religiösen Inhalten sie Bedeutung zuweisen. Das entspricht wichtigen evangelischen Erkenntnissen, wie dem allgemeinen Priestertum aller Glaubenden und dem Prozesscharakter von Glauben. In der Konfirmandenarbeit kann diese Haltung der Jugendlichen deshalb positiv aufgenommen werden. Statt Belehrung brauchen Jugendliche Kommunikation auf Augenhöhe, durch die sie selbst ihre religiösen Interessen und ihre Sprachfähigkeit weiterentwickeln können. Die Verankerung von Glaubenselementen und Traditionen in der eigenen Lebensgeschichte kann aufgespürt und auf diese zurückbezogen werden. Jugendliche und Mitarbeitende können ihre Geschichten miteinander austauschen. Nur in dieser biographischen Vermittlung kann das Glaubenswissen anschlussfähig und bedeutsam fürs Leben werden. Zugleich geraten dadurch alle Beteiligten in einen wechselseitigen Lernprozess, der die Kompetenzen der Jugendlichen ernst nimmt und auch den „Lehrenden“ neue Erfahrungen und Erkenntnisse zuwachsen lässt.
Als besonders geeignet für diese Form der Kommunikation in der Konfirmandenarbeit hat sich das „Theologisieren mit Jugendlichen“ erwiesen. Es nimmt die Jugendlichen als selbstständige Gesprächspartner ernst, die aus ihrer Perspektive über ihren Glauben entscheiden. Jugendliche haben keinen unvollständigen Glauben, sondern ganz eigene „theologische“ Vorstellungen von Gott und der Welt, die als solche ernst zu nehmen sind. Die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden sind Gesprächspartner auf Augenhöhe in diesem Prozess, nicht Lehrende. In einer altersangemessenen Sprache und Methodik setzen sich die Jugendlichen mit ihren theologischen Fragestellungen auseinander. Die Jugendlichen positionieren sich zu bestimmten elementaren Fragen. So entdecken sie ihre Glaubenswelt und entwickeln sie weiter.
Erfahrungsbezogene Modelle wie die Kirchraumerkundung, bibeldramaturgische, handlungsbezogene oder spielerische Zugänge sind hier genauso zu erwähnen. Diese Methoden wollen den Jugendlichen Raum geben, ihre religiösen Vorstellungen kreativ zu entwickeln und sprachfähig zu machen. Sie versuchen traditionelle Glaubensformen und -inhalte mit den Vorstellungen der Jugendlichen in Beziehung zu bringen. Auf der einen Seite können die Glaubensvorstellungen der Jugendlichen einen Zugang zu den traditionellen Formen und Inhalten des christlichen Glaubens schaffen. Auf der anderen Seite konfrontiert die Begegnung mit biblisch-christlichen Gedanken oder Formen die Jugendlichen mit ihrer Lebenswelt und kann für sie neue Horizonte öffnen. Die Jugendlichen können erfahren, dass das Evangelium die eigene Entwicklung befördert und unterstützt, auch hilfreich korrigiert. Voraussetzung, dass ein solcher Prozess gelingt, ist die gegenseitige Neugier. „Was glaubt der oder die Andere?“, „Wie beantwortet er oder sie bestimmte religiöse Fragen?“ Für die Mitarbeitenden und die Kirche liegt darin die Chance, einen fremden Blick kennenzulernen, der davor bewahrt, lebensfremd zu unterrichten und zu verkündigen. Dabei erkennen sie die Distanz, die zwischen erprobten und gängigen Glaubensaussagen seitens der etablierten Kirche und den Erfahrungswelten der Jugendlichen liegt. Sie entdecken aber auch die Chancen, wie über diese Distanzen hinweg Brückenbauen möglich wird. Sie stoßen auf das Innovationspotential, das die nachwachsende Generation für die Kirche bereithält und sie in einem Prozess der heilsamen und ständigen Erneuerung hält.